Station 7: Gürzenich

Evangelische Freiheit

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird aus dem Gürzenich, einem Festsaal aus dem 15. Jahrhundert und Kölns „guter Stube“, ein Schauplatz protestantischer öffentlicher Streitkultur. Am 29. Januar 1911 lädt der „Verein für evangelische Freiheit“ hierhin ein. Es geht um den Verbleib von Pfarrer Carl Jatho in der Alt-Kölner Gemeinde. Jatho ist seit 1891 Pfarrer der Gemeinde Alt-Köln und vertritt die populäre und umstrittene „Liberale Theologie“. Jatho, charismatisch und mitreißend, möchte in einen ernsthaften Dialog mit seinen Zeitgenossen, der Kultur und der Arbeiterschaft treten, das Christentum aus seinen „Verkrustungen“ befreien. Jatho entwirft ein eigenes Glaubensbekenntnis und eine zeitgenössische Taufformel und setzt sich mehr und mehr in einen Widerspruch zum Bekenntnis seiner damaligen Kirche, wie es von der preußischen Kirchenbehörde in Berlin ausgelegt wird. Der Konflikt zerreißt aber auch die eigene Gemeinde, in der liberale und am Wortlaut der Bibel und der reformatorischen Bekenntnisse orientierte Stimmen miteinander ringen. 45.000 Unterschriften werden für Jatho gesammelt, eine „Jatho-Spende“ für die Fortsetzung seines Wirkens entsteht. Doch er wird noch im selben Jahr in einem „Lehrbeanstandungsverfahren“ seines Pfarramtes enthoben.

Kirche und Sozialdemokratie

Am 15. Januar 1919 ist der Gürzenich in den Wirren der frühen Weimarer Republik Ort des bedeutenden Vortrages „Kirche und Sozialdemokratie“ von Georg Fritze. Seit 1916 ist er Pfarrer in der Gemeinde Alt-Köln. Auf der Grundlage der „sozialen Seite der evangelischen Botschaft“ streitet Fritze für ein Ende der Gegnerschaft von Kirche und Arbeiterbewegung und gilt bald als der „rote Pfarrer“ von Köln.

Gleichermaßen einfühlsamer Seelsorger wie politisch wacher Zeitgenosse, etabliert er die „soziale Seite“ des Evangeliums auch in populären Maifeiern. Seit 1933 wird er von den sogenannten „Deutschen Christen“ in Köln, die in den Gemeinden dominieren, mehrheitlich isoliert, erhält ab 1937 Redeverbot und wird nach seiner Weigerung, den Eid auf Hitler zu leisten, im Oktober 1938 aus seinem Amt entfernt. Und der Gürzenich? Bereits am 30. April 1933 ist er Veranstaltungsort einer Gautagung der „Deutschen Christen“ – und die HJ-Uniform wird zur Konfirmationstracht.

Einsatz für Menschenrechte

Das mutige, menschliche und im besten Sinne missionarische Tun von Georg Fritze wird im Nachkriegsprotestantismus bis weit in die 1970er Jahre totgeschwiegen. Seit 1980 würdigt der Kirchenkreis Köln-Mitte regelmäßig Menschen und Initiativen mit der „Georg Fritze-Gedächtnisgabe“ für ihren couragierten Einsatz für Menschenrechte und gegen Gewalt. Außerdem erinnert eine Figur des „roten Pfarrers“ am Kölner Rathausturm an diesen mutigen Bürger Kölns.

Ort der Station 7

Der Gürzenich liegt vom Augustinerplatz aus gesehen etwas weiter in Richtung Rhein.  Auf dem Platz vor dem historischen Gebäude soll in Zukunft eine Bodenplatte an die siebte Station der VIA REFORMATA erinnern.